Poster, 20. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Päd. Endokrinologie (APE),
Bergisch-Gladbach,7.-9.11.2003

 

 

Saarländische Wachsstumsstudie (SWS 1994-2002):

Perzentilenkurven (errechnet nach Cole) für Körperhöhe, Körpergewicht, Body Mass Index (BMI) und Somatogramm von deutschen Jungen und Mädchen im Alter von 0-20 Jahren.

(Siegfried Zabransky, IPEP Homburg/Saar und

Thomas Georg, Institut f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Med.Informatik der Uni Homburg/Saar)

 

 

Zusammenfassung:

Es werden die aktuellen Perzentilen-Kurven für Körperhöhe, Körpergewicht, BMI und Somatogramm von deutschen Jungen und Mädchen vorgestellt, die in den Jahren 1994-2002 im Rahmen einer Querschnittstudie im Saarland erstellt wurden. Eine weitere Zunahme der Körperhöhe (säculare Akzeleration) wie in den Niederlanden in den Jahren 1957-1997 beobachtet, ist in Deutschland in den letzten 20-30 Jahren nicht erkennbar. Regionale Unterschiede der Körperhöhen von Kindern spielen in Deutschland keine Rolle. Kinder ab einer Körperhöhe von 150 cm sind deutlich schwerer als vor 20-30 Jahren. Gewicht über der 97. Perzentile wird allgemein als Adipositas eingestuft.  Diese Definition sollte nach unten korrigiert werden, da der Normbereich für das Gewicht sich insgesamt geändert hat.

 

 

Schlüsselwörter:

Wachstumsstudie – Körperhöhe – Gewicht – BMI - Somatogramm-Akzeleration - Adipositas

 

 

Summary:

Actual percentile curves for height of german boys and girls (1994-2002) in Saarland are represented, which were created within  the framework of a cross-section study. A saecular trend of acceleration like in the Netherlands during the years 1957-1997 we can not recognize in Germany during the last 20-30 years. Regional differences of body height are not important in Germany. Children taller than 150 cm are obviously heavier than children 20-30 years ago. Definition of  adipositas as weight above 97. percentile must be adjusted to lower percentiles , because the normal range for weight has changed in all.


Key words:

Growth study- body height- body weight- BMI- somatogram- acceleration-adipositas

 

Methode und Probanden:

Querschnittstudie bei gesunden saarländischen Kindern im Alter von 0-20 Jahren

 

Im Zeitraum 1994-2002 wurden im Saarland 18098 gesunde Kinder (9184 J.,8914 M.) im Alter von 0-20 Jahren auxologisch untersucht. Die Messungen erfolgten in den Kindergärten und Schulen jeweils morgens. Die Messungen der Kinder im Vorkindergartenalter wurden in Kinderarztpraxen erhoben. Ausschlusskriterien waren chronische und akute Erkrankungen, Hormonbehandlungen, nicht- deutsche Herkunft. Da die regionale Stratifikation in dem flächenmäßig kleinen Saarland un- bedeutend ist, wurde die Gemeindegrößenklasse als erste Stratifikationsvariable herangezogen. Um zu große Standardfehler gerade auch der extremen Perzentilen zu vermeiden, betrug der Stichprobenumfang in der Altersklasse mit der geringsten Anzahl von Probanden immer noch mindestens 100. Die Auswertung erfolgte mit dem LMS-Verfahren nach Cole und Pan (2002)

 

(Graphiken: Perzentilen für Höhe, Gewicht, BMI, Somatogramm)

 

Diskussion: 

 

1. Höhe: Keine Akzeleration in den letzten 20-30 Jahren

 

Mit den Niederländern zählen die deutschen Kinder und Jugendlichen zu den größten in Europa. Im Vergleich zu 1957 sind Jungen in den NL 1997  mit 5 Jahren um 3 cm, mit 10 Jahren um 5cm und mit 20 Jahren um 8 cm größer. Beim Vergleich der  SWS –Daten (1994-2002) mit den Daten der Studien aus Dortmund (Reinken,1965-1989) können wir dieses Phänomen nicht  feststellen.  Nur bei den > 15 Jährigen ist eine Höhenzunahme von 2 cm zu verzeichnen (Tab.1). Ob dies durch die Auswahl der  Probanden bedingt ist, oder eine echte generelle Höhenzunahme ist, müssen weitere Studien zeigen. Im Gegensatz zu den Niederlanden ist in Deutschland in den letzten 20-30 Jahren keine weitere saeculare Akzeleration der Körperhöhe zu erkennen. Regionale Unterschiede spielen in Deutschland praktisch keine Rolle. Aktuelle Daten aus Brandenburg (unveröffentlichte Daten, Prof. Greil, Potsdam)  sind nahezu deckungsgleich mit den Ergebnissen im Saarland. Die saarländischen Referenzwerte sind auch für Kinder in anderen deutschen Bundesländern  verwendbar.

 

Tab.1:  Vergleich der 50.Perzentile für Höhe (cm) bei Reinken (1965-1989) und der SWS (1994-2002)

 

Alter (Jahre)

Jungen

Mädchen

 

Reinken

SWS

Reinken

SWS

6

118,4

117,6

117,9

116,7

10

141,4

141,0

141,6

140,7

15

172,1

171,9

165,7

164,5

18

180,0

181,6

167,0

169,2

20

Keine Daten

184,0

Keine Daten

169,9

 

 

 

2. Gewicht: 

Historischer Vergleich zu den Dortmunder Daten 1965-1989; deutliche Gewichszunahme in den letzen 20-30 Jahren

 

Der Gewichtsunterschied der heutigen Kinder zu den Dortmunder Werten  zeigt sich deutlich erst ab einer Höhe von 150 cm. Im Vergleich zu Dortmund (Reinken 1965-1989) sind die Gewichte in den ersten 6 Jahren gleich. 10 Jährige Jungen und Mädchen sind in der SWS um 1,5 kg schwerer, 15 jährige Jungen um 4 kg, 15 jährige Mädchen um 3 kg, 18 Jährige Jungen um 8 kg und 18 jährige Mädchen um 1,5 kg

 

Tab.2:  Vergleich der 50.Perzentile für Gewicht (kg) bei Reinken (1965-1989) und der SWS (1994-2002)

 

Höhe(cm)

Jungen

Mädchen

 

Reinken

SWS

Reinken

SWS

150

39,9 kg

40,2 kg

40,1 kg

42,1 kg

160

49,6 kg

50,6 kg

48,7 kg

50,2 kg

170

54,3 kg

58,2 kg

57,1 kg

60,6 kg

180

67,8 kg

71,7 kg

 

 

 

 

3. BMI:

Vergleich der SWS-Daten mit den Daten der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA); BMI-Referenzwerte nach Kromeyer et al. 2001) (Tab.3-5)

 

 

Tab.3: Vergleich der BMI-Werte (kg/m2 KOF) für Jungen:
SWS vs. AGA (Kromeyer et al.) 50.,90, 97,5. Perzentilen

Alter

SWS

AGA

SWS

AGA

SWS

AGA

Jahre

50.P

90.P

97,5.P

2

15,50

16,08

18,10

18,01

20,10

19,14

3

15,40

15,62

18,00

17,62

20,30

18,82

4

15,30

15,45

18,10

17,54

20,30

18,83

5

15,30

15,40

18,10

17,61

20,40

19,02

6

15,30

15,45

18,10

17,86

20,40

19,44

7

15,40

15,66

18,30

18,34

20,80

20,15

8

15,80

16,01

19,00

19,01

21,80

21,11

9

16,50

16,42

20,00

19,78

23,20

22,21

10

17,20

16,89

21,20

20,60

24,80

23,35

11

18,00

17,41

22,20

21,43

26,10

24,45

12

18,60

17,99

23,00

22,25

26,90

25,44

13

19,10

18,62

23,60

23,01

27,50

26,28

14

19,70

19,26

24,30

23,72

28,10

26,97

15

20,40

19,89

25,00

24,36

28,70

27,26

16

21,10

20,48

25,80

24,92

29,40

27,99

17

21,70

21,04

26,50

25,44

30,00

28,40

18

22,30

21,57

27,10

25,91

30,50

28,78

 

 

 

Tab.4: Vergleich der BMI-Werte (kg/m2 KOF) für Mädchen
SWS vs. AGA (Kromeyer et al.) 50.,90, 97,5. Perzentilen

 

Alter

SWS

AGA

SWS

AGA

SWS

AGA

Jahre

50.P

90.P

97,5.P

2

15,40

15,93

17,70

17,92

19,40

19,03

3

15,30

15,54

17,80

17,64

19,70

18,84

4

15,30

15,33

17,90

17,54

19,90

18,85

5

15,20

15,32

17,90

17,69

20,00

19,16

6

15,20

15,39

18,10

17,99

20,30

19,67

7

15,40

15,62

18,70

18,51

21,40

20,44

8

16,10

16,03

19,90

19,25

23,20

21,47

9

16,70

16,48

20,90

20,04

24,30

22,54

10

17,30

16,94

21,60

20,80

24,90

23,54

11

17,90

17,50

22,20

21,61

25,50

24,51

12

18,50

18,19

22,80

22,48

26,00

25,47

13

19,10

18,94

23,30

23,33

26,40

26,33

14

19,70

19,64

23,70

24,05

26,70

27,01

15

20,20

20,22

24,10

24,59

27,00

27,45

16

20,60

20,64

24,40

24,91

27,30

27,65

17

20,90

20,96

24,70

25,11

27,60

27,72

18

21,10

21,25

24,90

25,28

27,80

27,76

 

Tab.5: Vergleich der BMI-Werte  der SWS vs AGA:

 

Mädchen

Jungen

10.Perzentile

Bei den Mädchen keine Differenzen.

Bei den Jungen SWS etwas höhere Werte als AGA

50.Perzentile

Bis zum Alter von 8 Jahren keine Differenzen. Im Bereich 9-13 Jahren höhere SWS-Werte

Bis zum Alter von 8 Jahren keine Differenzen. Bei älteren Jungen liegen die Werte bis zum Alter von 18 Jahren darüber

90.Perzentile

Bei den Mädchen SWS im Bereich 7-13 Jahre höhere Werte

Bei den Jungen gleiche Relationen wie bei der 50.P

97,5.Perzentile

Bei den Mädchen nur im Bereich
2-13 Jahre höher Werte

 

Bei den Jungen im gesamten Bereich von 2-18 Jahren SWS höhere Werte

 

 BMI:  Gegenüberstellung der Daten der  SWS vs AGA (pdf)

10.,50.,90.,97,5.Perzentilen Jungen  Mädchen
97,5. Perzentilen Jungen  Mädchen
90.   Perzentilen Jungen  Mädchen

 

 

Aktuell empfiehlt die  Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) BMI-Referenzwerte nach Kromeyer et al.(2001), welche einer Metaanalyse aus im Design sehr verschiedenen Studien mit Untersuchungsdaten aus den Jahren 1985-1999 entsprechen, und nicht die aktuelle epidemiologische Situation in Deutschland widerspiegeln. Übergewicht wird definiert: BMI 90.-97. Perzentile und Adipositas BMI >97.Perzentile.

 

Wie die Daten der SWS (Saarländische Wachstumsstudie 1994-2002) und die Daten des wohl größten Untersuchungsgutes der Uni-Kinderklinik Leipzig (Keller, Crescnet) zeigen, liegen die 90. und 97. Perzentile der heutigen Kinder in weiten Bereichen über den Kurven nach Kromeyer et al. Da die Gewichtskurven der Kinder generell in fast allen europäischen Ländern ansteigen, steigt auch der Normalbereich an, wenn man bei der o.g. Definition für Übergewicht und Adipositas bleibt. Um dem zu entgehen, ist es nicht statthaft, sich die BMI-Tabellen so zurecht zu rücken, bis sie in das gewünschte Muster passen. Man muss vielmehr die aktuellen BMI-Werte zur Kenntnis nehmen, und eher die Definition für Übergewicht und Adipositas ändern, d.h. sie müssen niedrigeren Perzentilen-Bereichen zugeordnet werden.  Diese Einschätzungen haben nicht nur akademischen Wert, sondern gesundheitspolitische Relevanz, da sie die Grundlage bilden für epidemiologische Fragestellungen, z.B. nach der Häufigkeit von Fettleibigkeit.und notwendigen Präventivmaßnahmen. Da die Diagnose Adipositas auch kassentechnische Bedeutung hat, ist diese Sprachregelung von grundsätzlicher Bedeutung. Wer wissen will, wie schwer die Kinder heute tatsächlich sind, sollte Kurven verwenden, denen Daten aus gut definierten aktuellen  Studien zugrunde liegen. Die Darstellungsweise der Graphiken („Glätten“ der Kurven) hat zusätzlich Einfluss auf  den Kurvenverlauf und damit auch wiederum auf die Eingruppierung von Patienten. Die kontinuierliche Datenerhebung wie sie z.B. im Crescnet erfolgt (Keller, Leipzig) ist eine ideale Form, aktuelle Veränderungen zu erkennen und gegenzusteuern. Im Saarland ist eine angepasste Form der Datenerhebung ab 2004 vorgesehen (Zabransky, zabanet, IPEP). 

 

 

 

Resummee:

 

Die Graphiken und  Tabellen können vom Verfasser angefordert werden und sind auch in folgender website verfügbar:
http://www.wachstum-ipep.de    und      http://www.sga-syndrom.de

Literatur:
 

1.Cole TJ, Pan H
LMS light program, version 1.17 A program for calculating age related reference
centiles using the LMS method ©.
Institute of Child Health 2002

2.Keller Eberhard    Crescnet Symposion 12.4.2003, Leipzig

3.Keller E, Gausche R, Kiess W, Keller A 
Wege vom Screening zum Präventi
onssystem. Was kann das Crescnet-System bei Adipositas leisten ?
Vortrag; Jahrestagung APE,7.-9.11.2003, Bergisch-Gladbach

4.Kromeyer – Hauschild K, Wabitsch M, Zabransky S, Kunze D, et al.
Perzentilen für BMI für das Kindes-und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben
Monatsschrift für Kinderheilkunde 2001,807-818

5.Miranda F et al.  Contuing positive secular growth change in Netherlands 1955-1997
Ped. Res. 2000,47:316-323

6. Reinken L et al.  Klin.Pädiatr.1992,204: 129-133; Klin.Pädiatr. 1980,192: 25-33

7.Zabransky S. et al. Saarländische Wachstumsstudie WMW 2000,150: 145-152

8.Zabransky S, Georg Th
Somatogramm (Wachstumskurven mkit Perzentilen für Gewicht/Höhe- und BMI/Höhe-Beziehung) berechnet mit dem LMS-Verfahren (Cole) im Vergleich zur prozentualen Methode nach Maaser  Kinder-Jugendmedizin 2003, 201-205

9.Zabransky S, Georg Th    
Referenzwerte der Saarländischen Wachstumsstudie 1994–2002. Daten von 9184 Jungen und 8914 Mädchen

Perzentilen für Körperhöhe, Körpergewicht, BMI (Body Mass Index) und Somatogramm (Gewicht zu Höhe) 
in: SGA-Syndrom, Ursachen  und Folgen, Hrsg. S.Zabransky, Jonas Verlag 2003

10.Zabransky S, Georg Th
Saarländische Wachstumsstudie. Poster nr.1: APE-Tagung 2003

11. Zabransky S., Georg Th.
Referenzwerte der Saarländischen Wachstumsstudie 1994-2002, in "SGA-Syndrom, Ursachen und Folgen", S.161-175, Jonas Verlag, Marburg, 2003, ISBN 3-89445-327-3; erschienen im Dezember 2003

 

 

 

Anschrift:

 

Prof. Dr.med.Siegfried Zabransky

IPEP, Institut für Päd.Endokrinologie und Präventivmedizin

Im Fuchstal 8

D-66424 Homburg/Saar

Tel. 06841 172 785, Fax. 01212-5-152-13-672

eMail:  zabransky.siegfried@web.de

 

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